Wer nichts plant, kann in diesen Zeiten eigentlich nur gewinnen
In den Zeiten der Pandemie mussten -und müssen wir noch- lernen, Unsicherheiten zuzulassen, Pläne umzuwerfen und befinden uns in einem dichten Nebel von völliger Unplanbarkeit. Das Virus macht fast alle Vorhaben zunichte. Und das immer wieder von Neuem.
Das Leben in diesen Zeiten gleicht einem nicht ordentlich aufgeräumten Schrank oder einem Puzzle, bei dem die Teile nicht zusammenpassen und alle Teile kreuz und quer durcheinander liegen.
Wir befinden uns sozusagen in einem Strudel der Ereignisse. Alles war vor der Pandemie voll durchgeplant, die Treffen mit Freunden, Familie, Gymnastik-Kurse im Fitnessstudio, Ferien in Skandinavien, der Mädelstrip in die Toskana, Business- oder Freizeitpläne, alles war perfekt organisiert. Das Leben mit der Pandemie dagegen gleicht einem totalen Durcheinander. Das Einzige was man bisher planen konnte, war die absolute Unplanbarkeit. Die meisten Vorhaben funktionierten einfach nicht, noch nicht oder mit Einschränkungen.
Für alle, die gerne planen, die alles «im Griff» haben wollen, war und ist dies teilweise immer noch ein Chaos. Wir sind es in unserer digitalen Welt gewohnt, alles zu kontrollieren, zu organisieren und zu berechnen. Für alles gibt es eine App, ob Schritt- oder Kalorienzähler und andere künstliche Intelligenzen, die uns dabei unterstützen uns selbst und unser Leben durchzuchecken. Man will sich selbst und sein Schicksal eigenhändig designen und glaubt fest an die überwältigende Kraft des eigenen Tuns. Man versucht verbissen, das Steuer auch dann noch rumzureissen, auch wenn das Leben längst eine andere Richtung eingeschlagen hat.
Einen Plan zu haben gibt uns schliesslich Sicherheit und Orientierung. Doch, oh Wunder, für viele war die Zeit ohne Plan bisher eine erholsame Zeit. Man hat nichts erwartet, nichts geplant, nichts gewünscht, nichts gehofft -ausser vielleicht, dass die Pandemie zu Ende und die Gefahr zu Ende geht- , und hat eigentlich ziemlich viel gewonnen. Die Unberechenbarkeit des Lebens hat einen eigenen Zauber entfaltet.
«Wir haben keine Kontrolle darüber, welche Rückschläge wir erleben. Aber wir haben ein grosses Mass an Kontrolle darüber, wie wir damit umgehen,» sagt William B. Irving, Philosophieprofessor in an der State University, Ohio.
Es war wieder und ist immer noch mehr Zeit für Zufallstreffer. Denn manchmal im Leben sind es die nicht geplanten Dinge, die uns weitergebracht und auch glücklich gemacht haben. Eigentlich sind es ja genau die Momente, für die sich das Leben lohnt, die schrägen, ungeplanten, sind es, die das Leben ausmachen. Auf Englisch heisst Zufall übrigens «chance».
Noch ist die Pandemie nicht zu Ende und es bleibt spannend, ob wir aus dieser Zeit etwas lernen werden und den Zufällen wieder mehr Raum lassen. Wenn wir es schaffen, an unseren enorm hohen Erwartungen zu arbeiten, können wir die Auf und Ab’s sicher besser bewältigen. Das braucht Mut und Flexibilität.
Surjo Soekadat, Prof. für Neurotechnologie an der Berliner Charitè sagt dazu: «Je mehr man feste Vorstellungen loslässt, desto aufregender wird das Leben». Das wäre doch eigentlich ein Versuch wert …...
«Leben passiert, wenn du gerade etwas anderes geplant hast».
John Lennon
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